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Mittwoch 21t [20. September] [ Biedermann-Herwig Nr. 4236: nach Heidelberg v. d. Antik[e] Wunsch in dem Statuen-Saal zu wohnen, zu schlafen, unter den Göttergestalten, unter ihnen zu erwachen. Ich äußere auch meine Verehrung Einheit – glückliches Maashalten in allen ihren Werken. Ich habe zuerst die Büsten in Physiognomischer Rücksicht angesehen, die der Götter, sowie die der Personen; Großheit der Naturansichten; ich meyne, die Griech[en] hätten keine An[a]tomie getrieben in Beziehung auf Kunst sondern blos durch die Oberfläche mit ihrem glücklich scharfen Auge den ganzen Bau durchgesehen. Goethe sagte ausdrücklich das Gegentheil – es wäre auch ohne Anatomie nicht möglich. – Ihr Theater, Calderon, Shakespeare dagegen; diesem Letztern fehlt die Einheit; er war von seiner Zeit abhängig, so gut wie Jeder, die Schlegel mögen sagen was sie wollen. Sh[akespeare] mehr episch u. philosophisch als dramatisch. [Goethe hat] Romeo und Julie [für die Bühne] abgeändert; [er gibt] weitläufige Beschreibung der End-Scene; Theater-Effekt – Lampe in der Gruft über der Leiche u. s. w. (Cornelius Zeichnung hatte uns auf dies gebracht, die Handlung [dort] ganz verfehlt.)

Faust, die Fortsetzung deßelben. G[oethes] Werke [im allgemeinen.] Meisters Wanderungen. Novellen. Bestimmte Zahl der verschiedenen möglichen Liebesver 420wicklungen. Pilgernde Schöne. Bey Anlaß der abentheuerlichen Erscheinung im [Post] Coupee.

Ich bringe das Gespräch auf G[oethes] Naturansicht, auf die versprochene Formenlehre. Metamorphose ist in Allem auch in den Thieren. Der Kopf nichts anders wie ein Wirbelbein. Den Gedanken hat ihm Ocen [Lorenz Oken] gestohlen, als er ihn ab[en]ds bei Froman aussprach und auf der Stelle in einer in der Druckerey befindl[ichen] Abhandlung oder Program eingerückt. Zehn beym Krebs mit einem Händchen daran auch wie Ambos u. Hamer zeigte er mir einst in Wiesbaden am Tisch. – Jetz[t], da wir einmal auf dem Weeg sind, sollten wir nur sofort nach München und nach Italien fahren. Wir kamen zu Mittag an. Heftige Kälte überfällt mich beym Umbiegen in das [Neckar] Thal. –

Thibaut bekennt, daß er Unrecht gehabt, in Vertheidigung des Goerres vorig Jahr. G[oethe] erwiedert uns darauf: Ja, lehrt mich d. Welt nicht kennen. Ich habe gleich, als der Enthusiasmus los gieng, den Fluch des Bischofs Arnulphus über alles deutsche politische Gerede ausgesprochen und mir dadurch die Qual vom Halse gehalten. Wie sie mir nur davon anfingen hub ich gleich an: ich verfluche Euch u. s. w. Da waren sie bald still und ließen mich ungeschoren. ]