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Bedenken und Ergebung.

Wir können bei Betrachtung des Weltgebäudes, in seiner weitesten Ausdehnung, in seiner letzten Theilbarkeit, uns der Vorstellung nicht erwehren daß dem Ganzen eine Idee zum Grunde liege, wornach Gott in der Natur, die Natur in Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit schaffen und wirken möge. Anschauung, Betrachtung, Nachdenken führen uns näher an jene Geheimnisse. Wir erdreisten uns und wagen auch Ideen; wir bescheiden uns und bilden Begriffe, die analog jenen Uranfängen sein möchten.

Hier treffen wir nun auf die eigene Schwierigkeit, die nicht immer klar in's Bewußtsein tritt, daß zwischen Idee und Erfahrung eine gewisse Kluft befestigt scheint, die zu überschreiten unsere ganze Kraft sich vergeblich bemüht. Demohngeachtet bleibt unser ewiges Bestreben, diesen Hiatus mit Vernunft, Verstand, Einbildungskraft, Glauben, Gefühl, Wahn und, wenn wir sonst nichts vermögen, mit Albernheit zu überwinden.

Endlich finden wir, bei redlich fortgesetzten Bemühungen, daß der Philosoph wohl möchte Recht haben, welcher behauptet, daß keine Idee der Erfahrung völlig congruire, aber wohl zugibt, daß Idee und Erfahrung analog sein können, ja müssen.

[ Gräf Nr. 1193: Die Schwierigkeit Idee und Erfahrung mit einander zu verbinden erscheint sehr hinderlich bei aller Naturforschung: die Idee ist unabhängig von Raum und Zeit, die Naturforschung ist in Raum und Zeit beschränkt; daher ist in der Idee Simultanes und Successives innigst verbunden, auf dem Standpunct der Erfahrung hingegen immer getrennt, und eine Naturwirkung die wir der Idee gemäß als simultan und successiv zugleich denken sollen, scheint uns in eine Art Wahnsinn zu versetzen. Der Verstand kann nicht vereinigt denken was die Sinnlichkeit ihm gesondert überlieferte, und so bleibt der Widerstreit zwischen Aufgefaßtem und Ideirtem immerfort unaufgelös't.

Deßhalb wir uns denn billig zu einiger Befriedigung in die Sphäre der Dichtkunst flüchten und ein altes Liedchen mit einiger Abwechselung erneuern:

So schauet mit bescheidnem Blick Der ewigen Weberin Meisterstück, Wie ein Tritt tausend Fäden regt, Die Schifflein hinüber herüber schießen, Die Fäden sich begegnend fließen, Ein Schlag tausend Verbindungen schlägt. Das hat sie nicht zusammen gebettelt, Sie hat's von Ewigkeit angezettelt; Damit der ewige Meistermann Getrost den Einschlag werfen kann.  ]