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Nehrlichs Darstellungen aus Faust.

[ Gräf Nr. 1957: Wir haben auf sechzehn großen Folioblättern einen abermaligen Cyclus vor uns, bedeutender, in dem Goetheschen Trauerspiele Faust allenfalls sinnlich denkbarer Situationen und Ereignisse, auch dürfen wir annehmen, daß der Künstler noch manche Lücken ausfüllen und sein Werk, gewissermaßen unabhängig vom Gedichte, zu einem Ganzen bilden werde.

Dieses ist um so mehr zu hoffen, als man ihm bezeugen muß, er habe sich in das Gedicht ernstlich versenkt und befinde sich darin wie zu Hause.

Seine Bilder sind reich an Figuren und Nebenwerken, meist gut erfunden und motivirt. Sehr gelungen ist der Ausdruck; man könnte eine Anzahl der Art wohlgerathener, mit Geist und Leben ausgestatteter Köpfe anführen. Die Gebärden der Figuren sind der Handlung angemessen und die Glieder von guter Gestalt.

Möge der junge Künstler sich auf das Studium der Proportion noch eifriger legen, damit allen Gliedern ein richtiges Maß zugetheilt und eine Übereinstimmung derselben unter einander so wie zu dem Charakter der Köpfe durchaus erreicht werde.

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Die Anlage der Gewänder ist meistens gut, einige sind als höchst zierlich anzuerkennen.

Auch darf nicht übergangen werden, daß für die Räumlichkeiten genugsam gesorgt, das Local schicklich gewählt und das Hausgeräthe jener Zeit angehörig dargestellt sei.

Die saubere Ausführung der sämmtlichen Blätter mit der Feder trägt zu dem angenehmen Eindruck, welchen sie gewähren, das Ihrige bei.

Im Namen der Weimarischen Kunstfreunde

Weimar, am 10. Nov. 1831.

J. W. v. Goethe. ]