204

8. 4. 1833

263

Eckermann an Müller (NFG/GSA, Müller-Nachlaß 668, 74)8:

[ QuZ Nr. III-263: Wir würden uns in unendliche Schwierigkeiten und Zweifel verwickeln, wenn wir bey unserer Redaction individuellen Neigungen 205und Abneigungen Gehör geben wollten. . . . Wir haben das was den Leuten an Goethen nicht mundet, keineswegs zu verantworten, und wie man sicher nicht auf unsere Rechnung setzt was die Leute bey diesem Nachlaß entzückt, so kann man uns auch nicht zuschreiben, was ihnen etwa nicht so behagen mag.

Meine Instruction geht bloß dahin, dasjenige zu mildern oder ganz ungedruckt zu lassen, was nahmhafte Personen verletzen und beleidigen könnte, weshalb denn auch bey dem Gedicht Alcinous Böttigers Name wegblieb1.

Ferner von den Gedichten die Erotica und Priapeia, die ich denn nun auch eingesiegelt habe um sie so in Goethes Archiv zurückzugeben.

Die Politica aber hat Goethe mir besonders zur Herausgabe übergeben und auf das fragliche Gedicht das er mir öfters vorgelesen legte er einen besonderen Werth. Es ist auch in der That das Grandioseste was man über Napoleon sagen kann, und die Unzahl hochgebildeter Menschen in ganz Europa wird sich daran entzücken.

Und eben dadurch enthält dieser Nachlaß einen so entschiedenen Werth, daß Goethe manches Pikante, was er selbst als ein die Ruhe liebender Greis drucken zu lassen Bedenken trug, bis zur Stunde seines Todes zurücklegte; indem er auf uns das Vertrauen setzte daß wir es nicht unterdrücken würden.

Ob dieses oder jenes dem Hofe gefalle oder mißfalle davon kann gar die Rede nicht seyn . . . Das Gefallen oder Mißfallen unserer höchsten Herrschaften hätte in der That keiner mehr zu berücksichtigen als ich, dessen häusliche Lage noch keineswegs so gesichert ist, als daß ich auf so hohe Einflüsse nicht zu achten brauchte. Allein aller Gunst der Lebenden ziehe ich vor: den Willen des Verstorbenen zu thun2 . . . Alles bedenkend also, und wenn ich der mir gewordenen Instruction treulich nachkommen will, kann ich meine Zustimmung zur Hinweglassung des Gedichtes über Napoleon nicht geben . . . In diesem Falle freut es mich nebenbey daß eine Hinweglassung des fraglichen Gedichts auch ganz unmöglich ist. Morgen am 9n. endet der Druck der ganzen Lieferung3. Über 206morgen fängt man schon an die einzelnen Bände zu rangiren und zum Verpacken vorzubereiten, und es ist an eine Änderung im Druck der kleinen Ausgabe gar nicht mehr zu denken. Und ein Gedicht, nachdem man es 20,000 mal in der kleinen Ausgabe gedruckt hat, für die 8°. Ausgabe weglassen und „untern Scheffel stellen“ zu wollen, hätte gar keinen Grund. ]