Die Transkription der Handschriften wird in verschiedenen Formen angeboten, die entweder auf eine dokumentarische Wiedergabe (dokumentarische Transkription) oder auf eine textuelle Deutung der handschriftlichen Verhältnisse zielen (textuelle Transkription). Die Transkription der Drucke entspricht der textuellen Transkription der Handschriften. In der jeweiligen Standardansicht gelten die folgenden Bestimmungen:

Allgemein

  • Die Handschriften und Drucke werden zeichengetreu wiedergegeben.
  • I und J sind in der deutschen Schrift nicht unterschieden. In der Transkription wird die Unterscheidung zwischen I und J gemäß Lautwert eingeführt. Die Unterscheidung zwischen i und j ist davon unberührt.
  • Anführungszeichen werden stets mit öffnenden und schließenden Anführungszeichen „ “ wiedergegeben.
  • Abkürzungen werden nicht aufgelöst.
  • Alle Zeugen werden in unemendierter Form wiedergegeben. Offensichtliche, auch sinnentstellende Schreib- und Satzfehler bleiben gewahrt. Versehentlich ausgelassene Zeichen und Wörter werden nicht ergänzt.
  • Editorische Ergänzungen sind mit eckigen Klammern gekennzeichnet. Vgl. im Einzelnen die Abschnitte zur Transkription der Handschriften und Drucke.

Wiedergabe von Handschriften

Allgemeine Prinzipien der Handschriftenwiedergabe

Abb. 1: „merck ich“ mit dem Buchstaben k in seiner ligaturspezifischen Form, aber ohne deutlich ausgeprägtes c (Ausschnitt; zum Vgl. siehe 2 H)
Abb. 2: „Seys“ mit Abstand zwischen den Wortbestandteilen (Ausschnitt; zum Vgl. siehe 2 II H.3)

Die Überlieferung zu Goethes ‚Faust‘ ist vielfältig: Schemata, Exzerpte, einzelne Versentwürfe, eigenhändige Niederschriften ganzer Passagen in Bleistift, Abschriften und Diktate, Sammelhandschriften, Munda (Reinschriften sowie zur Weiterarbeit genutzte sogenannte Arbeitsmunda) und Druckvorlagen und Drucke.

Eindeutige Groß- und Kleinschreibungen werden stets gewahrt. Bei H/h und F/f ist die Unterscheidung zwischen Groß- und Kleinschreibung jedoch oft, bei D/d fast immer vom Kontext abhängig.

Die Ligatur ck wird als Buchstabenkombination ck transkribiert, auch wenn nur der Buchstabe k vorhanden, aber in seiner ligaturspezifischen Form ausgeprägt ist (s. Abb. 1).

Kontraktionen („ans“, „aufs“, „ins“ usw.) und Komposita mit kleingeschriebenem zweiten Kompositionsglied werden zusammengeschrieben wiedergegeben. Ein kleinerer Abstand zwischen den Wortbestandteilen („auf s“ usw.) markiert die Fuge, indiziert aber keine Getrenntschreibung (s. Abb. 2).

 

Bei deutlichem Wortabstand wird trotz durchgezogener Buchstabenverbindung Getrenntschreibung wiedergegeben.

Geschweifte Klammern zeigen unsichere Lesungen an. Dabei bedeutet

  • {abc}: Die Lesung ist wahrscheinlich.
  • {{abc}}: Die Lesung ist möglich.

Nicht entzifferte Zeichen werden durch Kreuze angezeigt, jedes × steht für ein nicht entziffertes Zeichen. ×…× steht für eine unentzifferte Folge nicht genau bestimmbarer Länge; die Anzahl der Punkte gibt den geschätzten Umfang an.

Abkürzung durch Suspensionsschleife wird mit einem Punkt wiedergegeben, ebenso Abkürzung durch eine Kombination von Suspensionsschleife und Punkt. Die Kombination von l und Suspensionsschleife wird als l und Punkt transkribiert (z. B. „Kayserl.“).

Die in einer Handschrift jeweils als Grundform verwendeten Klammern (runde Klammen und |: … :|) werden als runde Klammern wiedergegeben, Sonderformen (z. B. eckige Klammern) bleiben gewahrt.

Häufig sind in flüchtigen eigenhändigen Entwürfen Teile einzelner Wörter, gelegentlich ganze nachfolgende Wörter, nicht mit distinkten Buchstaben realisiert, sondern durch unspezifische Bögen. Diese werden mit der entsprechenden Folge distinkter Buchstaben wiedergegeben. Echte Unsicherheiten werden gekennzeichnet.

Verwischte, aber lesbare Bleistiftzüge werden nicht besonders gekennzeichnet, das gilt auch bei Bleistiftzügen, die durch Tintenüberschreibung überdeckt sind.

Editorisch ergänzt werden

  • einzelne Zeichen, die durch Rasur oder Beschädigung verloren gegangen oder unlesbar geworden sind, sowie
  • Zeichen, die in extrem flüchtigen Niederschriften nicht realisiert sind, nicht einmal als unspezifische Bögen.

Nicht ergänzt werden

  • Buchstaben und Wörter, die infolge von Schreibversehen fehlen;
  • ganze Zeilen sowie Zeilenanfänge oder -enden, die infolge von Beschädigung oder Fragmentierung verloren gegangen sind.

Dokumentarische Transkription der Handschriften

Die dokumentarische Transkription gibt die Niederschrift in ihren strukturellen räumlichen Relationen wieder. Erfasst und als zusätzliche Information eingeblendet werden auch die verschiedenen Arten der Zeichenmanipulation (Unterstreichungen, Durchstreichungen, Daraufschreibungen etc.) sowie Schreiberhände, Schreibmaterial und Schriftart (Deutsch oder Lateinisch). Alle Handschriften werden vollständig transkribiert, unabhängig von der Werkzugehörigkeit. Die dokumentarische Transkription lässt sich zeilengetreu in die Anzeige der Faksimiles einblenden und ist auch in druckfähiger Form abrufbar.

Zeichenwiedergabe

  • Das lange s (ſ) bleibt gewahrt, ebenso die Buchstabenkombination ſs in der lateinischen Schrift.
  • Fehlende Umlautzeichen werden nicht ergänzt.
  • Die Umlaute Ae, Oe und Ue bleiben gewahrt.
  • Gleiches gilt für Geminationsstriche über n und m (n̄, m̄).
Abb. 3: dokumentarische Transkription mit Wiedergabe einer Einfügungslinie (Ausschnitt; zum Vgl. siehe 2 H)

Die Stelle einer Einfügung in Interlinearzeilen oberhalb oder unterhalb, rechts oder links von der Einfügungsstelle wird räumlich getreu wiedergegeben. Einfügungszeichen werden in der Ansicht vereinfacht. Einfügungslinien werden durch Winkelzeichen an der Einfügungsstelle dargestellt: der Verlauf der Einfügungslinie wird nicht nachgebildet.

Abb. 4: dokumentarische Transkription mit Wiedergabe einer Einfügungslinie (Ausschnitt; zum Vgl. siehe 2 H)

Markierungen von Abschnitten (z. B. Zwischenstriche, waagerechte geschweifte Klammern) werden getreu wiedergegeben.

Zeichenmanipulation

Alle Streichungen (auch mehrfache, schräge, senkrechte usw.) werden als einfach durchstrichener Text wiedergegeben.

Von Durchstreichungen zu unterscheiden sind Erledigungsmarkierungen, die verdeutlichen, dass der markierte Abschnitt (oft die ganze Seite) aus dem Arbeitsprozess ausgeschieden ist. Sie werden durch eine gestrichelte, von links oben nach rechts unten verlaufende Diagonale wiedergegeben, der Verlauf der handschriftlichen Markierung wird nicht nachgebildet.

Bei Überschreibungen auf der Zeile (Daraufschreibungen) wird der zuerst geschriebene Text mit kleineren, tiefgestellten, der daraufgeschriebene mit größeren, hochgestellten Buchstaben wiedergegeben: ab.

Fixierungen von mit Bleistift geschriebenen Passagen durch Tintennachzug und alle anderen Formen der Verdeutlichung von Zeichen werden durch Textverdopplung wiedergegeben.

Radierte und absichtlich verwischte Zeichen erscheinen in Konturschrift. Die Umwandlung eines Buchstabens in einen anderen durch Rasur (m→n, ß→ſ u. ä.) wird nicht als Rasur, sondern als Daraufschreibung behandelt.

Schreiberhand und Schreibmaterial

Serifenschrift steht für Eigenhändiges (von Goethe Geschriebenes), serifenlose Schrift für andere zeitgenössische Schreiber, Festbreitenschrift für spätere Eintragungen.

Schwarze Schriftfarbe steht für Tinte, Hellgrau für Bleistift, Dunkelgrau für Kohle, Hellrot für rote Tinte und Dunkelrot für Rötel.

Jeder Schreiberhand ist eine eigene Hintergrundfarbe zugewiesen:
Goethes Schreiber erhalten Pastellfarben: Hellgrün für Christian Schuchardt, Rosa für Johann John und Hellblau für Ludwig Geist.
Goethes Mitarbeiter erhalten Vollfarben: Orange für Theodor Kräuter, Gelb für Johann Peter Eckermann, Blau für Friedrich Wilhelm Riemer und Violett für Karl Wilhelm Göttling.
Unbekannte zeitgenössische Schreiber erhalten Rosa, nicht zeitgenössische fremde Hände (v. a. archivarische) Bordeauxrot. Alle übrigen zeitgenösischen Schreiber (wie Anna Jameson oder Luise von Göchhausen) sind mit braunem Farbton kenntlich gemacht.

Die deutsche Kurrentschrift wird recte dargestellt, lateinische kursiv.

Textuelle Transkription der Handschriften

Die textuelle Transkription der Handschriften gibt den Text mit seiner gattungsspezifischen Gliederung wieder (z. B. als Dramentext, Liste, Gedicht, Exzerpt). Sie wird in zwei unterschiedlichen Formen angeboten: als Darstellung der innerhandschriftlichen Varianten und als letzte abhebbare Stufe, die sich aus der Niederschrift und allen darin vorkommenden Änderungen ergibt.

Darstellung der innerhandschriftlichen Varianten

Abb. 5: AA Ls 6, S. 750 (Ausschnitt; zum Vgl. siehe H P123.5).

Für die Darstellung innerhandschriftlicher Varianten gibt es in gedruckten Ausgaben eine Vielfalt von Apparatformen. Der in der vorliegenden Ausgabe gewählte Apparattyp hat hingegen nur vorläufigen Charakter. Er beruht auf dem Einblendungsapparat, der für die Akademie-Ausgabe der Werke Goethes entwickelt wurde (Abb. 5).

Varianten werden als Abweichungen von der Grundschicht dargestellt. Als Grundschicht werden in diesem Zusammenhang alle Zeichen angesehen, die nicht entweder sofort getilgt (Sofortrevision) oder später hinzugefügt wurden. Der Text der Grundschicht steht außerhalb der Klammern ⟨…⟩. Innerhalb der Klammern stehen Sofortrevisionen und das Ergebnis von Änderungen. Die Klammern und der kursive Editortext sind durch graue Schrift abgehoben, von einer späteren Änderung betroffene Teile der Grundschicht sind durch Unterstreichung u.ä. markiert. Beim Ansteuern des Bereichs einer Variante erscheint eine verbale Beschreibung der Änderung. Alle editorischen Zeichen und Kürzel werden an Ort und Stelle erklärt:

  • > steht zwischen sofort Getilgtem und danach Niedergeschriebenem,
  • erg – „ergänzt“,
  • tilgt – „tilgt“,
  • : steht bei Ersetzungen zwischen Getilgtem und Hinzugefügtem,
  • wdhst – „wiederherstellt“
  • mon – „moniert“
  • vorschl (statt propon) – „vorschlägt“
  • verw – „verwirft“

An folgenden Stellen weicht die Darstellung von derjenigen in der AA ab:

  1. Umgestellter Wortlaut wird nur beziffert und nicht auch in der endgültigen Reihenfolge wiedergegeben.
  2. Änderungen werden nicht immer auf ganze Wörter expandiert. Änderungen, die in Zeugen als Änderungen einzelner Buchstaben vorgenommen worden sind, erscheinen vielfach auch in der Edition als Änderungen einzelner Buchstaben.
  3. Vor ⟨ wird kein Leerzeichen gesetzt (aus Rücksicht auf die eben beschriebene Darstellung von Änderungen im Wortinneren, die noch nicht expandiert werden).
  4. Umfangreichere Tilgungen erhalten keine durchgehende Markierung, sondern nur Zeichen am Anfangs- und Endpunkt.
  5. Schreibersiglen kommen nur bei vorgeschlagenen Änderungen und bei Monierungen vor. Die in der AA gebräuchliche Syntax „Variante tilgt / erg G“ verkürzt sich damit auf tilgt / erg“.
  6. Für vorgeschlagene Änderungen wurde nicht nur die Form der Ersetzung gebraucht, sondern auch Hinzufügung und Tilgung.

Darstellung der letzten abhebbaren Stufe

Die letzte abhebbare Stufe ist der Text, der sich aus der Niederschrift und allen darin vorkommenden Änderungen ergibt. Für die Darstellung dieses Textes gelten folgende besonderen Regeln:

  • Das lange s (ſ) wird als rundes s wiedergegeben. Die Buchstabenkombination ſs in der lateinischen Schrift wird als ß wiedergegeben.
  • Geminationsstriche über n und m (n̄, m̄) und weiteren Buchstaben werden zu nn, mm usw. aufgelöst.

Wiedergabe von Drucken

Die Transkription der Drucke wird in einer Form angeboten, die der textuellen Transkription der Handschriften entspricht. Vom typographischen Erscheinungsbild der einzelnen Drucke wird abstrahiert. Satzfehler bleiben erhalten. Editorisch ergänzt werden diejenigen Zeichen, die durch mechanische Einflüsse des Druckvorgangs (z. B. geschwundene oder verschmutzte Lettern), Fehlstellen im Papier o. Ä. verlorengegangen oder unlesbar sind.