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1812.

Die Familie Kobler eröffnete mit höchst anmuthigen Balletten das Jahr. Romeo und Julie, sodann Turandot werden wiederholt; die Aufführung von: Leben ein Traum vorbereitet. Die zu würdiger Darstellung solcher Stücke erforderlichen Anstrengungen gaben neue Gelegenheit zum tiefer eindringenden Studium und der ganzen Behandlung einen frischen Schwung. Ein junger Schauspieler trat hinzu, Namens Durand, mit allen Vorzügen die man im Allgemeinen an einem jungen sogenannten Liebhaber wünschen kann, nur vermißte man an ihm ein gewisses inneres Feuer, oder auch nur jene Art von Enthusiasmus, der ihn aus sich selbst herausgetrieben, womit er sich dem Publicum aufgedrungen hätte, daß es ihn fühlen und anerkennen mußte. Man hoffte jedoch, daß er dieß Bedürfniß bald selbst empfinden werde.

Theodor Körner war als Theaterdichter hervorgetreten; dessen Toni, Zriny und Rosamunde, als Nachklänge einer kurz vergangenen Epoche, von den Schauspielern leicht aufgefaßt und wiedergegeben und eben so dem Publicum sinn- und artverwandt von ihm günstig aufgenommen wurden. Zu höheren Zwecken ward die große Zenobia von Calderon studirt und der wunderbare Magus durch Griesens Übersetzung uns angenähert.

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[ Gräf Nr. 1210: Wolff und Riemer machten einen Plan zu Aufführung des Faust, wodurch der Dichter verleitet ward mit diesem Gegenstand sich abermals zu beschäftigen, manche Zwischenscenen zu bedenken, ja sogar Decorationen und sonstiges Erforderniß zu entwerfen. ] Jene genannten, immer thätigen Freunde entwarfen gleichfalls den Versuch einer neuen Redaction des Egmont mit Wiederherstellung der Herzogin von Parma, die sie nicht entbehren wollten. Die Anwesenheit der Madame Schönberger veranlaßte die erfreulichsten Darstellungen. Iffland schloß das Jahr auf das erwünschteste, indem er mehrmals auftrat; vom 20. December an sehen wir folgende Vorstellungen: Clementine, Selbstbeherrschung, der Jude, Künstlers Erdenwallen, Don Ranudo und der arme Poet, der Kaufmann von Venedig, der gutherzige Polterer.

Neben ihm traten von unserm wohlbestellten Theater folgende Schauspieler auf, deren Gemeinschaft er seiner hohen Kunst nicht unwürdig fand. Es scheint uns der Sache gemäß ihre Namen hier aufzuführen, die Herren: Durand, Deny, Graff, Genast, Haide, Lortzing, Malkolmi, Oels, Unzelmann, Wolff; sodann die Damen: Beck, Eberwein, Engels, Lortzing, Wolff.

Der Biographie zweiter Band wurde gearbeitet und abgeschlossen, auch der dritte Band eingeleitet, im Ganzen entworfen, im Einzelnen ausgeführt. In 76 Gefolg der Darstellung Mosaischer Geschichte im ersten Bande nahm ich den Irrgang der Kinder Israel durch die Wüste aus alten Papieren wieder vor, die Arbeit selbst aber wurde zu andern Zwecken zurückgelegt.

Drei Gedichte für Kaiserliche Majestäten, im Namen der Karlsbader Bürger, gaben mir eine ehrenvoll angenehme Gelegenheit zu versuchen, ob noch einiger poetischer Geist in mir walte.

In der bildenden Kunst ereignete sich manches Günstige: die Nachricht von dem Fund auf Aegina eröffnete der Kunstgeschichte neue Aussichten, an welchen wir uns mit Freund Meyer, der in seinen Bemühungen immer vorwärts ging, erbauten und ergötzten.

Der Gedanke aus vorliegenden alten Münzen das Andenken verlorner Kunstwerke zu ergänzen, war zu reizend und hatte einen dergestalt soliden Grund, daß man nach dem Aufsatz über Myrons Kuh in dergleichen Betrachtungen fortfuhr, den Olympischen Jupiter, die Polykletische Juno, und manches andere würdige Bild auf diese Weise wieder herzustellen trachtete.

Ein kleiner Centaur von Silber, etwa spannenlang und bewundernswürdig gearbeitet, rief eine lebhafte Streitigkeit hervor, ob er antik oder modern sei. Die Weimarischen Kunstfreunde, überzeugt daß in solchen Dingen niemals an Übereinstimmung und Entscheidung zu denken sei, bewunderten ihn, belehrten sich daran und traten zu derjenigen Partei, die ihn für alt und aus den ersten Kaiserzeiten hielt.

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Ich acquirirte eine nicht gar ellenhohe altflorentinische Copie des sitzenden Moses von Michelangelo, in Bronze gegossen und im Einzelnen durch Grabstichel und andere ciselirende Instrumente fleißigst vollendet: ein schönes Denkmal sorgfältiger, beinahe gleichzeitiger Nachbildung eines höchst geschätzten Kunstwerkes jener Epoche, und ein Beispiel, wie man dem kleinen Bilde, welches natürlich die Großheit des Originals nicht darstellen konnte, durch eine gewisse Ausführlichkeit im Einzelnen, einen eigenthümlichen Werth zu geben wußte.

Die Naturwissenschaft erfreute sich manchen Gewinnes; Ramdohr "von den Verdauungswerkzeugen der Insecten" bestätigte unsere Denkweise über die allmähliche Steigerung organischer Wesen. Übrigens aber wandte sich die Aufmerksamkeit mehr gegen allgemeine Naturforschung.

Doctor Seebeck, der chromatischen Angelegenheit immerfort mit gewohntem Fleiße folgend, bemühte sich um den zweiten Newtonischen Versuch, den ich in meiner Polemik nur so viel als nöthig berührt hatte; er bearbeitete ihn in meiner Gegenwart und es ergaben sich wichtige Resultate, wie jene Lehre, sobald man anstatt der anfänglichen Prismen zu Linsen übergeht, in eine fast unauflösliche Verfitzung verwickelt werde.

Zu allgemeiner Betrachtung und Erhebung des Geistes eigneten sich die Schriften des Jordanus Brunus von Nola, aber freilich das gediegene Gold und Silber 78 aus der Masse jener so unglaublich begabten Erzgänge auszuscheiden und unter den Hammer zu bringen, erfordert fast mehr als menschliche Kräfte vermögen, und ein jeder dem ein ähnlicher Trieb eingeboren ist thut besser, sich unmittelbar an die Natur zu wenden, als sich mit den Gangarten, vielleicht mit Schlackenhalden, vergangener Jahrhunderte herumzumühen.

In Karlsbad fand man sich wieder zu herkömmlichen geologischen Betrachtungen genöthigt. Die Erweiterung des Raumes um den Neubrunnen, ein kühnes vielleicht in früherer Zeit nicht denkbares Vornehmen, bestärkte in den bisherigen Vorstellungen; ein merkwürdiges Gestein ward daselbst gewonnen, starkes Wasser der Tepl und heftiges Aufbrausen der heißen Quellen trafen zusammen, Umstände welche auf die Hypothese hinzudeuten schienen: diese große Naturwirkung sei als ein ungeheures galvanisches Experiment anzusehen.

Von Teplitz aus besuchte man Doctor Stolz in Außig und belehrte sich an dessen trefflichen Kenntnissen und Sammlungen. Fossile Knochen in Böhmen waren auch zur Sprache gekommen.

Nach Hause zurückgekehrt verweilte man zuerst in Jena, um den dortigen Museen im Augenblick einer eintretenden günstigen Epoche eine freudige Aufmerksamkeit zu widmen. Ihro Kaiserliche Hoheit die Frau Erbprinzeß bestimmten eine ansehnliche Summe zu diesem Zwecke, und Mechanicus Körner verfertigte eine Luftpumpe für das physikalische Kabinett. Sonstige Instrumente und andere Anschaffungen dorthin werden gleichfalls eingeleitet, und um des Raumes mehr zu gewinnen, die oberen Zimmer im Jenaischen Schloß für die Aufnahme eines Theils der Museen eingerichtet. Von Trebra verehrte merkwürdige Granitübergangsplatten als Documente früherer geognostischer Wanderungen auf dem Harze; sein Werk vom Innern der Gebirge wird auf's neue vorgenommen und dabei ältere und jüngere Vorstellungsarten besprochen.

Sogenannte Schwefelquellen in Berka an der Ilm, oberhalb Weimar gelegen, die Austrocknung des Teichs, worin sie sich manchmal zeigten, und Benutzung derselben zum Heilbade, gab Gelegenheit geognostische und chemische Betrachtungen hervorzurufen. Hiebei zeigte sich Professor Döbereiner auf das lebhafteste theilnehmend und einwirkend.