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1279.

1830, 17. März.

Mit Johann Peter Eckermann

Mit Goethe zu Tische. Ich sprach mit ihm über eine Stelle in seinen Gedichten, ob es heißen müsse: ›Wie es dein Priester Horaz in der Entzückung verhieß‹, wie in allen ältern Ausgaben steht; oder: ›Wie es dein Priester Properz u.s.w.,‹ welches die neue Ausgabe hat.

»Zu dieser letztern Lesart,« sagte Goethe, »habe ich mich durch Göttling verleiten lassen. Priester Properz klingt zudem schlecht, und ich bin daher für die frühere Lesart.«

264 [ Gräf Nr. 1832: »So,« sagte ich, »stand auch in dem Manuscript Ihrer ›Helena‹, daß Theseus sie entführet als ein zehnjährig schlankes Reh. Auf Göttling's Einwendungen dagegen haben Sie nun drucken lassen: ein siebenjährig schlankes Reh, welches gar zu jung ist, sowohl für das schöne Mädchen als für die Zwillingsbrüder Kastor und Pollux, die sie befreien. Das Ganze liegt ja so in der Fabelzeit, daß niemand sagen kann wie alt sie eigentlich war, und zudem ist die ganze Mythologie so versatil, daß man die Dinge brauchen kann wie es am bequemsten und hübschesten ist.«

»Sie haben Recht,« sagte Goethe; »ich bin auch dafür, daß sie zehn Jahre alt gewesen sei, als Theseus sie entführte, und ich habe daher auch später geschrieben: vom zehnten Jahre an hat sie nichts getaugt. In der künftigen Ausgabe mögt Ihr daher aus dem siebenjährigen Reh immer wieder ein zehnjähriges machen.« ]

Zum Nachtisch zeigte Goethe mir zwei frische Hefte von Neureuther nach seinen Balladen, und wir bewunderten vor allem den freien heitern Geist des liebenswürdigen Künstlers.