∞Vor dem Thor
∞Spaziergänger aller Art ziehen hinaus
∞Vierter
814Nach Burgdorf kommt herauf, gewiß dort findet ihr
815Die schönsten Mädchen und das beste Bier,
816Und Händel von der ersten Sorte.
∞Fünfter
817Du überlustiger Gesell,
818Juckt dich zum drittenmal das Fell?
819Ich mag nicht hin, mir graut es vor dem Orte.
∞Erste
822Das ist für mich kein großes Glück;
823Er wird an deiner Seite gehen,
824Mit dir nur tanzt er auf dem Plan.
825Was gehn mich deine Freuden an!
∞Schüler
828Blitz wie die wackern Dirnen schreiten!
829Herr Bruder komm! wir müssen sie begleiten.
830Ein starkes Bier, ein beizender Toback,
831Und eine Magd im Putz das ist nun mein Geschmack.
∞Bürgermädchen
832Da sieh mir nur die schönen Knaben!
833Es ist wahrhaftig eine Schmach,
834Gesellschaft könnten sie die allerbeste haben,
835Und laufen diesen Mägden nach!
∞Zweyter
Schüler
∞zum ersten
836Nicht so geschwind! dort hinten kommen zwey,
837Sie sind gar niedlich angezogen,
838’s ist meine Nachbarin dabey;
839Ich bin dem Mädchen sehr gewogen.
840Sie gehen ihren stillen Schritt
841Und nehmen uns doch auch am Ende mit.
∞Erster
842Herr Bruder nein! Ich bin nicht gern genirt.
843Geschwind! daß wir das Wildpret nicht verlieren.
844Die Hand, die Samstags ihren Besen führt,
∞Bürger
846Nein, er gefällt mir nicht der neue Burgemeister!
847Nun, da er’s ist, wird er nur täglich dreister.
848Und für die Stadt was thut denn er?
849Wird es nicht alle Tage schlimmer?
850Gehorchen soll man mehr als immer,
851Und zahlen mehr als je vorher.
∞Bettler
∞singt
852Ihr guten Herrn, ihr schönen Frauen,852–859 Die Verse sind in allen Drucken nicht eingerückt; in Q wurden sie ebenso wie die Verse 949–980 eingerückt. (VII)
853So wohlgeputzt und backenroth,
854Belieb’ es euch mich anzuschauen,
855Und seht und mildert meine Noth!
856Laßt hier mich nicht vergebens leyern!
857Nur der ist froh, der geben mag.
858Ein Tag den alle Menschen feyern,
∞Andrer
Bürger
860Nichts bessers weiß ich mir an Sonn- und Feyertagen,
861Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrey,
862Wenn hinten, weit, in der Türkey,
863Die Völker auf einander schlagen.
864Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
865Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
866Dann kehrt man Abends froh nach Haus,
867Und segnet Fried’ und Friedenszeiten.
∞Dritter
Bürger
868Herr Nachbar, ja! so laß ich’s auch geschehn,
869Sie mögen sich die Köpfe spalten,
870Mag alles durch einander gehn;
871Doch nur zu Hause bleib’s beym Alten.
∞Alte
∞zu den
Bürgermädchen
872Ey! wie geputzt! das schöne junge Blut!
873Wer soll sich nicht in euch vergaffen? –
874Nur nicht so stolz! es ist schon gut!
875Und was ihr wünscht das wüßt’ ich wohl zu schaffen.
∞Bürgermädchen
876Agathe fort! ich nehme mich in Acht
877Mit solchen Hexen öffentlich zu gehen;
878Sie ließ mich zwar, in Sanct Andreas Nacht,
∞Die
Andre
880Mir zeigte sie ihn im Krystall,
881Soldatenhaft, mit mehreren Verwegnen;
882Ich seh’ mich um, ich such’ ihn überall,
883Allein mir will er nicht begegnen.
∞Soldaten
∞Faust
903Vom Eise befreyt sind Strom und Bäche,
904Durch des Frühlings holden, belebenden Blick,
905Im Thale grünet Hoffnungs-Glück;
906Der alte Winter, in seiner Schwäche,
907Zog sich in rauhe Berge zurück.
908Von dorther sendet er, fliehend, nur
909Ohnmächtige Schauer körnigen Eises
910In Streifen über die grünende Flur;
911Aber die Sonne duldet kein Weißes,
912Überall regt sich Bildung und Streben,
913Alles will sie mit Farben beleben;
915Sie nimmt geputzte Menschen dafür.
916Kehre dich um, von diesen Höhen
917Nach der Stadt zurück zu sehen.
918Aus dem hohlen finstren Thor
919Dringt ein buntes Gewimmel hervor.
920Jeder sonnt sich heute so gern.
921Sie feyern die Auferstehung des Herrn,
922Denn sie sind selber auferstanden,
923Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
924Aus Handwerks- und Gewerbes Banden,
925Aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
926Aus der Straßen quetschender Enge,
927Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
928Sind sie alle ans Licht gebracht.
929Sieh nur sieh! wie behend sich die Menge
930Durch die Gärten und Felder zerschlägt,
931Wie der Fluß, in Breit’ und Länge,
932So manchen lustigen Nachen bewegt,
933Und, bis zum Sinken überladen,
934Entfernt sich dieser letzte Kahn.
935Selbst von des Berges fernen Pfaden
936Blinken uns farbige Kleider an.
937Ich höre schon des Dorfs Getümmel,
938Hier ist des Volkes wahrer Himmel,
939Zufrieden jauchzet groß und klein:
940Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s seyn.
∞Wagner
941Mit euch, Herr Doctor, zu spazieren
942Ist ehrenvoll und ist Gewinn;
943Doch würd’ ich nicht allein mich her verlieren,
944Weil ich ein Feind von allem Rohen bin.
945Das Fiedeln, Schreien, Kegelschieben,
946Ist mir ein gar verhaßter Klang;
947Sie toben wie vom bösen Geist getrieben
948Und nennen’s Freude, nennen’s Gesang.
∞Bauern
∞unter der Linde
∞Tanz und
Gesang
949Der Schäfer putzte sich zum Tanz,949–980
nicht eingerückt A
B
B.a
1 H.1
C.1 12
C.3 12 eingerückt Q (VII)
950Mit bunter Jacke, Band und Kranz,
951Schmuck war er angezogen.
952Schon um die Linde war es voll
953Und alles tanzte schon wie toll.
954Juchhe! Juchhe!
955Juchheisa! Heisa! He!
956So ging der Fiedelbogen.
957Er drückte hastig sich heran,
959Mit seinem Ellenbogen;
960Die frische Dirne kehrt sich um
961Und sagte: nun das find’ ich dumm!
962Juchhe! Juchhe!
963Juchheisa! Heisa! He!
964Seyd nicht so ungezogen.
965Doch hurtig in dem Kreise ging’s,
967Und alle Röcke flogen.
968Sie wurden roth, sie wurden warm
969Und ruhten athmend Arm in Arm,
970Juchhe! Juchhe!
971Juchheisa! Heisa! He!
972Und Hüft’ an Ellenbogen.
∞Alter
Bauer
981Herr Doctor, das ist schön von euch,
982Daß ihr uns heute nicht verschmäht,
983Und unter dieses Volksgedräng’,
984Als ein so Hochgelahrter, geht.
985So nehmet auch den schönsten Krug,
986Den wir mit frischem Trunk gefüllt,
987Ich bring’ ihn zu und wünsche laut,
988Daß er nicht nur den Durst euch stillt;988 stillt; ] Das Semikolon fehlt in manchen Exemplaren von
A. (VII)
989Die Zahl der Tropfen, die er hegt,
990Sey euren Tagen zugelegt.
∞
Das Volk sammelt sich im Kreis
umher
∞Alter
Bauer
993Fürwahr es ist sehr wohl gethan,
994Daß ihr am frohen Tag erscheint;
995Habt ihr es vormals doch mit uns
997Gar mancher steht lebendig hier,
998Den euer Vater noch zuletzt
999Der heißen Fieberwuth entriß,
1000Als er der Seuche Ziel gesetzt.
1001Auch damals ihr, ein junger Mann,
1002Ihr gingt in jedes Krankenhaus,
1003Gar manche Leiche trug man fort,
1004Ihr aber kamt gesund heraus,
1005Bestandet manche harte Proben;
1006Dem Helfer half der Helfer droben.
∞Er geht mit Wagnern
weiter.
∞Wagner
1011Welch ein Gefühl mußt du, o großer Mann!
1012Bey der Verehrung dieser Menge haben!
1013O! glücklich! wer von seinen Gaben
1014Solch einen Vortheil ziehen kann.
1015Der Vater zeigt dich seinem Knaben,
1016Ein jeder fragt und drängt und eilt,
1017Die Fiedel stockt, der Tänzer weilt.
1018Du gehst, in Reihen stehen sie,
1019Die Mützen fliegen in die Höh’;
1020Und wenig fehlt, so beugten sich die Knie,
1021Als käm’ das Venerabile.
∞Faust
1022Nur wenig Schritte noch hinauf zu jenem Stein,
1023Hier wollen wir von unsrer Wandrung rasten.
1024Hier saß ich oft gedankenvoll allein
1025Und quälte mich mit Beten und mit Fasten.
1026An Hoffnung reich, im Glauben fest,
1027Mit Thränen, Seufzen, Händeringen
1028Dacht’ ich das Ende jener Pest
1029Vom Herrn des Himmels zu erzwingen.
1030Der Menge Beyfall tönt mir nun wie Hohn.
1031O könntest du in meinem Innern lesen,
1032Wie wenig Vater und Sohn
1033Solch eines Ruhmes werth gewesen!
1034Mein Vater war ein dunkler Ehrenmann,
1035Der über die Natur und ihre heilgen Kreise,
1036In Redlichkeit, jedoch auf seine Weise,
1037Mit grillenhafter Mühe sann.
1038Der, in Gesellschaft von Adepten,
1039Sich in die schwarze Küche schloß,
1040Und, nach unendlichen Recepten,
1041Das Widrige zusammengoß.
1042Da ward ein rother Leu, ein kühner Freyer,
1043Im lauen Bad, der Lilie vermählt
1044Und beyde dann, mit offnem Flammenfeuer,
1045Aus einem Brautgemach ins andere gequält.
1046Erschien darauf, mit bunten Farben,
1047Die junge Königin im Glas,
1048Hier war die Arzeney, die Patienten starben,
1049Und niemand fragte: wer genas?
1050So haben wir, mit höllischen Latwergen,
1051In diesen Thälern, diesen Bergen,
1052Weit schlimmer als die Pest getobt.
1053Ich habe selbst den Gift an Tausende gegeben,
1054Sie welkten hin, ich muß erleben
1055Daß man die frechen Mörder lobt.
∞Wagner
1056Wie könnt ihr euch darum betrüben!
1057Thut nicht ein braver Mann genug;
1058Die Kunst, die man ihm übertrug,
1059Gewissenhaft und pünctlich auszuüben.
1060Wenn du, als Jüngling, deinen Vater ehrst,
1061So wirst du gern von ihm empfangen;
1062Wenn du, als Mann, die Wissenschaft vermehrst,
1063So kann dein Sohn zu höhrem Ziel gelangen.
∞Faust
1064O! glücklich! wer noch hoffen kann
1065Aus diesem Meer des Irrthums aufzutauchen.
1066Was man nicht weiß das eben brauchte man,
1067Und was man weiß kann man nicht brauchen.
1068Doch laß uns dieser Stunde schönes Gut,
1069Durch solchen Trübsinn, nicht verkümmern!
1070Betrachte wie, in Abendsonne-Glut,
1071Die grünumgebnen Hütten schimmern.
1072Sie rückt und weicht, der Tag ist überlebt,
1073Dort eilt sie hin und fördert neues Leben.
1074O! daß kein Flügel mich vom Boden hebt,
1075Ihr nach und immer nach zu streben.
1076Ich säh’ im ewigen Abendstrahl
1077Die stille Welt zu meinen Füßen,
1078Entzündet alle Höhn, beruhigt jedes Thal,
1079Den Silberbach in goldne Ströme fließen.
1080Nicht hemmte dann den göttergleichen Lauf
1081Der wilde Berg mit allen seinen Schluchten;
1082Schon thut das Meer sich mit erwärmten Buchten
1083Vor den erstaunten Augen auf.
1085Allein der neue Trieb erwacht,
1086Ich eile fort ihr ew’ges Licht zu trinken,
1087Vor mir den Tag, und hinter mir die Nacht,
1088Den Himmel über mir und unter mir die Wellen.
1089Ein schöner Traum, indessen sie entweicht.
1090Ach! zu des Geistes Flügeln wird so leicht
1091Kein körperlicher Flügel sich gesellen.
1093Daß sein Gefühl hinauf und vorwärts dringt,
1094Wenn über uns, im blauen Raum verloren,
1095Ihr schmetternd Lied die Lerche singt;
1096Wenn über schroffen Fichtenhöhen
1097Der Adler ausgebreitet schwebt,
1098Und über Flächen, über Seen,
1099Der Kranich nach der Heimat strebt.
∞Wagner
1100Ich hatte selbst oft grillenhafte Stunden,
1101Doch solchen Trieb hab’ ich noch nie empfunden.
1102Man sieht sich leicht an Wald und Feldern satt,
1103Des Vogels Fittig werd’ ich nie beneiden.
1104Wie anders tragen uns die Geistesfreuden,
1105Von Buch zu Buch, von Blatt zu Blatt!
1106Da werden Winternächte hold und schön,
1107Ein selig Leben wärmet alle Glieder,
1108Und ach! entrollst du gar ein würdig Pergamen;
1109So steigt der ganze Himmel zu dir nieder.
∞Faust
1110Du bist dir nur des einen Triebs bewußt,
1111O lerne nie den andern kennen!
1112Zwey Seelen wohnen, ach! in meiner Brust,
1113Die eine will sich von der andern trennen;
1114Die eine hält, in derber Liebeslust,
1115Sich an die Welt, mit klammernden Organen;
1116Die andre hebt gewaltsam sich vom Dust,
1117Zu den Gefilden hoher Ahnen.
1118O giebt es Geister in der Luft,
1119Die zwischen Erd’ und Himmel herrschend weben,
1120So steiget nieder aus dem goldnen Duft
1121Und führt mich weg, zu neuem buntem Leben!
1122Ja, wäre nur ein Zaubermantel mein!
1123Und trüg’ er mich in fremde Länder,
1124Mir sollt’ er, um die köstlichsten Gewänder,
1125Nicht feil um einen Königsmantel seyn.
∞Wagner
1126Berufe nicht die wohlbekannte Schaar,
1127Die, strömend, sich im Dunstkreis überbreitet,
1128Dem Menschen tausendfältige Gefahr,
1129Von allen Enden her, bereitet.
1130Von Norden dringt der scharfe Geisterzahn
1131Auf dich herbey, mit pfeilgespitzten Zungen;
1132Von Morgen ziehn, vertrocknend, sie heran,
1133Und nähren sich von deinen Lungen;
1134Wenn sie der Mittag aus der Wüste schickt,
1135Die Glut auf Glut um deinen Scheitel häufen,
1136So bringt der West den Schwarm, der erst erquickt,
1137Um dich und Feld und Aue zu ersäufen.
1138Sie hören gern, zum Schaden froh gewandt,
1139Gehorchen gern, weil sie uns gern betrügen,
1140Sie stellen wie vom Himmel sich gesandt,
1141Und lispeln englisch, wenn sie lügen.
1142Doch gehen wir! ergraut ist schon die Welt,
1143Die Luft gekühlt, der Nebel fällt!
1144Am Abend schätzt man erst das Haus. –
1145Was stehst du so und blickst erstaunt hinaus?
1146Was kann dich in der Dämmrung so ergreifen?
∞Faust
1152Bemerkst du, wie in weitem Schneckenkreise
1153Er um uns her und immer näher jagt?
1154Und irr’ ich nicht, so zieht ein Feuerstrudel
1155Auf seinen Pfaden hinterdrein.
∞Wagner
1156Ich sehe nichts als einen schwarzen Pudel,
1157Es mag bey euch wohl Augentäuschung seyn.
∞Wagner
1160Ich seh’ ihn ungewiß und furchtsam uns umspringen,
1161Weil er, statt seines Herrn, zwey Unbekannte sieht.
∞Wagner
1163Du siehst! ein Hund, und kein Gespenst ist da.
1164Er knurrt und zweifelt, legt sich auf den Bauch,
1165Er wedelt. Alles Hunde Brauch.
∞Wagner
1167Es ist ein pudelnärrisch Thier.
1168Du stehest still, er wartet auf;
1169Du sprichst ihn an, er strebt an dir hinauf;
1170Verliere was, er wird es bringen,
1171Nach deinem Stock ins Wasser springen.
∞Wagner
1174Dem Hunde, wenn er gut gezogen,
1175Wird selbst ein weiser Mann gewogen.
1176Ja deine Gunst verdient er ganz und gar
1177Er, der Studenten trefflicher Scolar.
∞Sie gehen in das
Stadt-Thor.